Verbesserungen für das ganze Team Gesundheit – statt Streik-Nebelkerze
„Wer alle sagt, muss das ganze Team meinen!“
Mit einer E-Mail an die Spitalsärzt*innen im Wiener Gesundheitsverbund versucht die Wiener Ärztekammer Streiks in den Wiener Spitälern anzukündigen. Die Gewerkschaft younion – Team Gesundheit zeigen Verständnis für die Forderungen der Wiener Ärztekammer nach besseren Arbeitsbedingungen.
Gleichzeitig finden sie jedoch einen Streik zu diesem Zeitpunkt nicht angebracht, weil sie bereits seit Monaten aktiv in Arbeitsgruppen und am Verhandlungstisch engagiert sind. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist es nicht notwendig, zuerst zu streiken, um überhaupt gehört oder ernst genommen zu werden. Das Team Gesundheit stellt Forderungen, die gemeinsam umgesetzt werden und die Arbeitsbedingungen für alle verbessern.
In einer E-Mail der Wiener Ärztekammer heißt es, die Gespräche mit Politik und dem Vorstand des Wiener Gesundheitsverbundes (WIGEV) würden zäh verlaufen und daher würden Streikvorbereitungen getroffen.
Es geht um mehr als 120 Berufe
Darüber äußert Edgar Martin, Vorsitzender der younion-Hauptgruppe II, sein Unverständnis:
„Mein Team und ich sowie alle Personal- und Gewerkschaftsvertreter*innen stehen täglich gemeinsam fraktionsübergreifend in der Verantwortung für 30.000 Menschen in mehr als 120 Berufen – von der Reinigungsfachkraft über den Portier bis hin zur Primaria. Im Alltag bedeutet es, im Interesse all dieser Beschäftigten zu agieren und sich aktiv an den Lösungsprozessen zu beteiligen. Es sollte uns doch um das gesamte Gesundheitssystem und alle Beschäftigten im Team Gesundheit gehen, statt zuerst mal wieder Streik-Nebelkerzen zu zünden und die Interessen von nur einer Berufsgruppe in den Mittelpunkt zu stellen.“
Und weiter: „Die über 30.000 Beschäftigten machen gemeinsam einen großartigen Job für die Menschen in Wien. Wir sind ein interdisziplinäres Team und handeln Hand in Hand: Ein Streik betrifft das ganze Team – das ist eine vereinte Entscheidung – niemand darf zurückgelassen werden, nur weil eine Gruppe laut ist. Wir dulden als Team Gesundheit keine Lippenbekenntnisse: Nicht von der Dienstgeberin und auch nicht von einzelnen Berufsgruppen. Wer alle sagt, muss das ganze Team meinen!“
Es geht nicht nur um Geld
Edgar Martin verweist weiter auf die laufenden Verhandlungen mit der Dienstgeberin: „Wir als Gewerkschafter*innen und Personalvertreter*innen sind gerade in schwierigen Verhandlungen mit der Stadt und dem WIGEV-Vorstand. Es geht dabei um die zentralen Probleme wie den Fachkräftemangel und um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, und ja auch um mehr Geld. Aber diese einseitige Fixierung der Wiener Ärztekammer auf das monetäre ist nicht im Sinn aller Beschäftigten.“
Gerald Gingold, Vorsitzender des Personalgruppenausschusses Ärzte und Ärztinnen, ergänzt: „Wir sind weiter gespannt, welche inhaltlichen Ansätze die Ärztekammer hat. Ich finde einen Abgleich der Lösungsansätze gut. Gleichzeitig haben wir in den vergangenen Monaten konkrete unterschriftsfertige (Teil-)Lösungen mit dem WIGEV-Vorstand erarbeitet: eine automatische Ernennung zum Oberarzt nach einer dreijährigen Tätigkeit, eine Erhöhung der Fortbildungstage auf zehn Tage für alle Ärzt*innen (auch für Ausbildungsärzt*innen) sowie ein garantiertes jährliches Fortbildungsbudget, das individuell für jede Ärztin und jeden Arzt personalisiert ist. Natürlich sind auch Gehaltsforderungen auf unserer Liste, die gemeinsam mit der younion mit der Stadt Wien verhandelt werden müssen“
Sarah Kroboth, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und Referentin für Auszubildende ergänzt: „Wenn uns Ärztekammerfunktionär*innen erzählen, was die Pflege braucht, wird es schwierig, sachlich zu bleiben. Die Pflege hat eine eigene Stimme. Wir als Berufsgruppe wissen, wie keine andere, wie wichtig das interdisziplinäre Team in seiner Vielfalt ist. Wir fordern vom Vorstand eine Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen, denn das ist die Grundlage für ein funktionierendes Gesundheitssystem in Wien und auch die Grundlage für mehr Fachkräfte.“
Es geht nicht um die Maximierung für nur eine Gruppe
Edgar Martin macht zudem klar: „Eigentlich ist es ganz einfach. Die Hauptgruppe II, die Interessensvertretung für alle Berufsgruppen im WIGEV, verhandelt, Hand in Hand mit dem Vorsitzenden der younion, Christian Meidlinger, mit dem WIGEV-Vorstand und in weiterer Folge mit der Stadt Wien. Das erklärte Ziel sind verbesserte Arbeitsbedingungen. Es geht hier nicht um die Maximierung für eine einzelne Gruppe. Aktuell verhandeln wir zielorientierte Lösungen für alle – ohne Zwischenrufe von außen: Dazu gehören unter anderem die bessere Bezahlung von Nächten, Sonn- und Feiertagsdiensten von eingesprungenen Diensten für alle Berufsgruppen. Besonders wichtig ist uns ein einheitliches Arbeitszeitmodell für alle, bei dem ein Feiertag auch als solcher gehandhabt wird und die Arbeitszeit reduziert. Zudem benötigt es genauso individuelle Maßnahmen auf einzelne Bereiche heruntergebrochen. Wir brauchen mehr Fachkräfte in unseren Dienststellen und mehr Auszubildende, aber eben auch die Rahmenbedingungen, damit die Ausbilder*innen dies hochengagiert im laufenden Betrieb bewerkstelligen können.“
Gerald Gingold, merkt noch zusätzlich an: „Neben den finanziellen Forderungen gibt es noch viele weitere Anliegen, die wir gemeinsam angehen möchten. Dazu gehören die Zusage zur Reduzierung von Doppelprimariaten, Diskussionen über Beraterfirmen, Gespräche zur geplanten Zentralisierung der Labors und vieles mehr.“
Es geht um Verantwortung
Und weiter: „Nach den ersten Erfolgen haben wir jetzt folgende Punkte auf unserer Agenda: Die bereits eingeführte Personalbedarfsberechnung muss umgehend im Dienstpostenplan umgesetzt werden, damit alle erforderlichen Stellen geschaffen und ausgeschrieben werden können. Ebenso benötigen wir ein effektives Dienstplan-Tool für alle Berufsgruppen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau des klinisch administrativen Dienstes sowie des nicht-ärztlichen Personals, um den Ärztinnen und Ärzten wieder die Möglichkeit zu geben, sich auf ihre Kernarbeit zu konzentrieren. Dies sind nur einige Beispiele für unsere nächsten Schritte.“
Abschließend formuliert Edgar Martin eine Frage direkt an die Vertreter*innen der Wiener Ärztekammer: „Wird ein Streik die sofortige Nachbesetzung aller offenen Stellen erreichen? Vor allem, wenn das dafür nötige Personal noch in Ausbildung ist oder schlichtweg derzeit am Markt nicht zur Verfügung steht?“ Edgar Martin appelliert dabei an die Ärztekammer: „Wir sind den Beschäftigten, die jeden Tag ihrem Job nachgehen und unter teils schwierigen Bedingungen Höchstleistungen erbringen, gute Lösungsvorschläge und ein gemeinsames und professionelles Vorgehen schuldig. Wer den Streik für morgen fordert, muss dafür die Verantwortung tragen und wird am Erfolg gemessen – wir übernehmen die Verantwortung schon heute und arbeiten kontinuierlich daran, nachhaltige Verbesserungen zu erzielen!"