Sind Jobs in Gefahr?
45 % der Gemeinden geht das Geld aus. Wir fragten Gemeindebundpräsident Johannes Pressl, ob das eine Gefahr für unsere Kolleg:innen bedeutet.
younited: Sie sind nicht nur Gemeindebundpräsident, sondern auch seit 20 Jahren Bürgermeister der Marktgemeinde Ardagger im Mostviertel. Ich habe mich dort umgehört. Was, glauben Sie, haben mir die Bewohner:innen erzählt?
Johannes Pressl: Über mich persönlich? Kann ich schwer sagen. Bei der vergangenen Gemeinderatswahl haben zumindest zwei Drittel meine Partei, die ÖVP, gewählt. Es gibt ein Basisvertrauen, das sich daraus ableitet. Ich kann nur sagen, wie ich versuche meine Tätigkeit anzulegen – und zwar die Gemeinde möglichst sachlich zu führen. Aber immer mehr Leute in der Gemeinde sagen mir, dass sie mich nur noch im Fernsehen sehen. Ich bin aber nicht weniger und nicht mehr in der Gemeinde und für die Leute nicht weniger und nicht mehr erreichbar.“
younited: Das Positive, das in der Gemeinde über Sie gesagt wird, ist Ihre Handschlagqualität, auf der negativen Seite wird Ihre Sparsamkeit genannt.
Johannes Pressl: Ja, dazu stehe ich auch. Ich möchte als Bürgermeister nicht zu viel ausgeben und dann nicht wissen, wo ich es wieder herkriege. Das was ich ausgebe, ist Steuergeld. Eine Situation wie auf Bundesebene möchte ich nicht haben.
younited: Trotz Ihrer Sparsamkeit geht es auch Ardagger finanziell schlechter. 45 % der österreichischen Gemeinden sind sogar bald so weit, dass sie als sogenannte Abgangsgemeinden eingestuft werden, also mehr ausgeben, als sie einnehmen. Was machen Sie dagegen?
Johannes Pressl: Im Jahr 1991 war Ardagger komplett pleite, es war richtig fertig, da ist überhaupt nichts mehr gegangen. Seither wurde jeder Kreuzer in der Gemeinde zweimal umgedreht. Jetzt sind wir wieder so weit, dass wir große Projekte realisieren können. Wir nehmen einen Kredit über 6,5 Millionen Euro auf, wir legen zum Beispiel die Schulen zusammen. Das können wir uns auch leisten. Als Präsident im Österreichischen Gemeindebund sehe ich natürlich die vielen anderen Kommunen. Da gehen wir zwei Wege. Wir fordern vom Bund und den Ländern, die Gemeinden entsprechend ihrer Aufgaben finanziell ausreichend auszustatten. Den Gemeinden gehen insgesamt 1,4 Milliarden Euro in den laufenden Haushalten ab. Aber – und da schlägt jetzt Ardagger wieder ein bisschen durch – ich weiß, was in den Gemeinden noch möglich ist, nämlich durch Effizienzsteigerung. Die Gemeinden müssen sich auch immer wieder selber an der Nase nehmen und die Verwaltung optimieren.
younited: Warum haben Sie nicht schon bei den vergangenen Finanzausgleichsverhandlungen mehr Geld für die Gemeinden verlangt?
Johannes Pressl: Ein Finanzausgleich ist eine Verhandlung zwischen dem Bund, neun Bundesländern, den Gemeinden und dem Städtebund. Und da ist man halt nur ein Teil. Und am Ende haben alle zugestimmt, im Sinne einer Kompromissfindung. Ich unterschreibe nicht für fünf Jahre einen Vertrag und sage übermorgen schon, dass es mir nicht passt. Das ist nicht meine Haltung. Aber wir haben gelernt, dass wir frühzeitig auf die Problematik der Aufgabenfinanzierung hinweisen müssen. Wir werden finanziell durch ein Tal der Tränen gehen, da mache ich uns auch nichts vor.
younited: Aber wo wollen Sie konkret in Ardagger noch einsparen, wenn alles schon so effizient ist?
Johannes Pressl: In Ardagger machen wir trotzdem noch einige 100.000 € Überschuss. Ich mache mir mehr Sorgen um die 80 % der Kärntner Gemeinden, die den laufenden Betrieb aktuell nicht mehr schaffen. Es gibt Ansätze, um effizienter zu werden, wie zum Beispiel Gemeindeverbände. Wir wollen keine Zusammenlegungen, wir wollen Kooperationen – zum Beispiel bei der Abgabeneinhebung. In Ardagger haben wir fast alles in unseren Gemeindedienstleistungsverband ausgelagert. Wir haben dort einen Verwaltungskostenbeitrag von rund zwei Prozent, also 30.000 bis 35.000 Euro. Das ist maximal eine halbe Person, wenn überhaupt, mit allen Nebenkosten. Ein zweites großes Thema sind Benchmarks, wie wir sie aus der Wirtschaft kennen.
younited: Da spricht der gelernte Unternehmensberater aus Ihnen.
Johannes Pressl: Naja, ich habe schon in der Volksschule gelernt, dass Eins plus Eins Zwei ergibt. Und das nehme ich mir ins Leben mit.
younited: Heißt mehr Effizienz auch Einsparungen beim Personal?
Johannes Pressl: Nein, ich glaube, es geht gar nicht so sehr darum, dass wir Personal einsparen. Schauen Sie mal rein in die Gemeinden, da werden viele Leute gesucht. In Ardagger brauchen wir zum Beispiel einen neuen Amtsleiter. Ich habe jetzt beim zweiten Anlauf zwei Bewerbungen. Jemanden zu finden, der im öffentlichen Dienst Verantwortung übernimmt, ist gar nicht so einfach.
younited: In Ihrer Gemeinde gibt es keine Personalvertretung. Warum?
Johannes Pressl: Das wundert mich auch. Ich wünsche es mir, weil ich glaube, dass es auch für die Gemeinde ein Gegenüber braucht, wo man sich Dinge ausreden kann. Das Problem ist momentan, dass jede/jeder seine Wünsche transportiert. Da wird der Lauteste zum Größten, aber das ist nicht immer das Sinnvollste. Und wenn es eine Personalvertretung gibt, erwarte ich mir auch, dass die verantwortungsvoll für alle, und nicht nur für eine/einen oder wenige spricht.
younited: Die Personalvertretung könnte sich zum Beispiel darüber beschweren, dass immer mehr Leistungen dazukommen, etwa durch das Informationsfreiheitsgesetz.
Johannes Pressl: Wir haben lange dagegen gekämpft. Der Kampf ist letztendlich nicht in unserem Sinne ausgegangen. Also wir haben das jetzt. Deshalb wurde angestrengt, dass wir eine entsprechende rechtliche Detail-Expertise bekommen, was da wirklich zu tun ist und was nicht. Ich glaube aber, dass wir uns nicht übertrieben Sorgen machen müssen, trotzdem ist das eine Krot, die wir jetzt fressen müssen. So heißt’s im Mostviertel.
younited: Aber in letzter Zeit sind viele Kröten dazugekommen.
Johannes Pressl: Ja, das sehen wir auch so. Deswegen gehen wir auch in Abwehrhaltung. Und werden uns ganz genau anschauen, was eine künftige neue Regierung vorhat.
younited: Ihr Vorgänger Alfred Riedl musste wegen Grundstück-Deals zurücktreten. Haben Sie auch Grundstücke gekauft?
Johannes Pressl: Das werde ich von vielen Journalistinnen und Journalisten gefragt. Die Antwort ist Nein.
Über Johannes Pressl
Johannes Pressl wurde 1970 in Amstetten (NÖ) geboren. Seit 2005 ist er Bürgermeister von Ardagger (rund 3.600 Einwohner:innen). 2024 trat er die Nachfolge von Gemeindebundpräsident Alfred Riedl an.