GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion fordern bundesweite Maßnahmen
Gewerkschaften für den öffentlichen Gesundheitsbereich bilden bundesweite Allianz und präsentieren Forderungspaket „gegen den Burnout unseres Gesundheitswesens“
Angesichts der bundesweiten Probleme im öffentlichen Gesundheitswesen haben die Gewerkschaften aller Bundes-, Landes- und Gemeindebediensteten im Gesundheitsbereich, GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion – Team Gesundheit, eine bundesweite Allianz für das öffentliche Gesundheitswesen gebildet. Sie fordern von der Bundesregierung ein rasches und entschlossenes Handeln, um den Burnout des öffentlichen Gesundheitswesens in Österreich zu verhindern.
„Wir haben bereits im April einen Spitalsgipfel gefordert, doch die Bundesregierung versucht beharrlich, die zahlreichen, noch immer ungelösten Probleme zu ignorieren. Ob in den Landeskliniken oder in den Pflegehäusern, in allen Bundesländern fehlen quer durch alle Berufsgruppen Fachkräfte“, so Reinhard Waldhör, Vorsitzender der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft.
In dieselbe Kerbe schlägt Edgar Martin, Vorsitzender der younion – Team Gesundheit: „Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über einhundert Berufsgruppen braucht es endlich faire Lösungen. Der systematischen Überbelastung der Beschäftigten im Gesundheitsbereich muss rasch entgegengewirkt werden, sonst droht dem öffentlichen Gesundheitssystem bundesweit ein Burnout“, betont Martin den Ernst der Lage.
Gewerkschaften mahnen bundesweiten Gesundheitsgipfel ein
Aus diesem Grund stellten die beiden Gewerkschaften heute ein bundesweites Forderungspaket für die Beschäftigen im Gesundheitsbereich vor. Damit einhergehend bekräftigten sie ihre Forderung nach einem bundesweiten Gesundheitsgipfel und appellierten eindringlich an Bund und Länder, die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen zu nutzen, um „die dringlichsten Verbesserungen noch heuer unter Dach und Fach zu bringen“.
Das Forderungspaket im Detail:
- Konsequente Anpassung der Leistungen an den Personalstand. Um die Vertreibung von Fachkräften zu stoppen, muss die systematische Überlastung der Beschäftigten rasch beendet werden. Zuverlässige Dienstpläne sind unerlässlich, damit das bestehende Personal im Gesundheitsbereich nicht weiter ausbrennt. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, dass es in allen Gesundheitseinrichtungen zu einer realistischen und transparenten Anpassung der Leistungen an den tatsächlichen Personalstand kommt.
- Steuerfreiheit ab der 32. Wochenstunde. Der Gesundheitsbetrieb muss rund um die Uhr laufen. Viele Beschäftigte des öffentlichen Gesundheitssystems entscheiden sich für Teilzeitarbeit, unter den Pflegekräften tut das mehr als die Hälfte. In Summe fehlen dem System damit rund eine Million Arbeitsstunden pro Woche, was einem Vollzeitäquivalent von 26.000 Beschäftigten entspricht. Damit der aktuelle Personalmangel unter diesen Voraussetzungen nicht zur weiteren (Selbst-)Ausbeutung der Beschäftigten führt, muss Mehrarbeit in systemrelevanten Betrieben finanziell deutlich aufgewertet werden. Die Steuerfreiheit ab der 32. Wochenstunde ist dabei ein wichtiger Anreiz, um kurzfristig Engpässe ausgleichen zu können, bis neues Personal gewonnen und ausgebildet werden konnte. Sie würde Teilzeitbeschäftigte motivieren, ihre Stundenzahl (auch vorübergehend) zu erhöhen und gleichzeitig jene belohnen, die bereits Vollzeit arbeiten.
- Anstellung aller Auszubildenden. Um rasch den dringend benötigten Nachwuchs im Gesundheitsbereich sicherzustellen, braucht es entsprechend attraktive Ausbildungsangebote. Eine existenzsichernde Anstellung aller Auszubildenden im Gesundheitsbereich beseitigt bestehende Eintrittsbarrieren, schafft zusätzliche Anreize und sorgt überdies dafür, dass neues Personal nach dem Abschluss einer Ausbildung nahtlos übernommen werden kann. Damit einhergehend muss es auch eine finanzielle und zeitliche Aufwertung der Ausbildner:innen in Theorie und Praxis geben. Die Mittel dafür soll der Bund über den Finanzausgleich bereitstellen.
- Schwerarbeiterregelung für alle Beschäftigten. Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienste sind im Gesundheitsbereich nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Um rasch zusätzliche Anreize für die – sowohl physisch als auch psychisch anspruchsvolle – Arbeit in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zu schaffen, ist die Schwerarbeiterregelung auf alle Berufsgruppen in diesem Bereich auszuweiten und die Zugangsvoraussetzung auf eine stundenweise statt tägliche Betrachtung pro Monat umzustellen.
- Stufenweise Senkung der Arbeitszeit auf 35 Stunden. Um einerseits neue Arbeitskräfte zu gewinnen und andererseits Burnouts, gesundheitsbedingte Frühpensionierungen sowie eine Abwanderung aus dem Gesundheitsbereich zu verringern, braucht es kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich. Aus diesem Grund soll die Wochenarbeitszeit im Gesundheitsbereich in zwei Schritten von 40 auf zuerst 37,5 und letztlich 35 Stunden gesenkt werden. Nachdem die tatsächliche Arbeitszeit im Gesundheitsbereich österreichweit im Schnitt bei 31,9 Stunden liegt, würde diese Maßnahme die Personalkapazitäten letztlich erhöhen.
Finanzausgleichsverhandlungen als Nagelprobe
Aus Sicht der bundesweiten Gewerkschaftsallianz seien die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen „eine Nagelprobe für die Politik“, die zeigen werde, „ob die Bundesregierung den Ernst der Lage endlich begriffen hat und bereit ist, die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die aktuelle Misere in den Griff zu bekommen“, so Waldhör. Die bisherigen Ankündigungen der Bundesregierung dazu sind laut Waldhör „unzureichend“: „Das angebliche zehn-Milliarden-Paket für den Gesundheitsbereich entpuppt sich als Mogelpackung. Da wurden laufende Programme wie der Pflegeregress oder die Community Nurses miteingerechnet, allein der bereits bestehende Pflege-Entgeltzuschuss macht 1,5 Milliarden des Pakets aus.“ Laut dem derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), seien von den zehn Milliarden Euro lediglich 473 Millionen pro Jahr „frisches Geld“. „Hier wird versucht, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Das grenzt an einen Etikettenschwindel“, so Waldhör.
Beide Gewerkschaften zeigten sich kampfbereit und kündigten an, im Herbst die Protest- und Streikbereitschaft ihrer Mitglieder abzufragen, wenn sich die Bundesregierung bis dahin nicht auf ernsthafte Verhandlungen einlässt. „Die Beschäftigten im Gesundheitsbereich müssen rasch entlastet werden. Wenn sich die Bundesregierung hier nicht bewegt, spielt es Granada“, so Martin abschließend.