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Am Ende hat niemand eine Wahl

Patrick Stroh arbeitet dort, wo niemand mehr eine Wahl hat. Ein Besuch am Wiener Zentralfriedhof.

„Ich kann mich noch gut an meine Eingewöhnungsphase erinnern. Ich habe im Frühling ein Grab gegraben und war schon bei etwa 2,20 Meter angekommen. Es war ruhig, man hörte die Vögel zwitschern und plötzlich einen dumpfen Schlag. Ich kam mit der Schaufel an einem Sarg an. Plötzlich ertönte ein ‚Entschuldigung’“, erzählt Patrick Stroh.

Kurz stockte ihm der Atem, ein kalter Schauer lief über seinen Rücken – bis sich das „Entschuldigung“ auflöste. Patrick Stroh: „Auf einmal blickte eine Dame auf mich runter und wollte wissen, wo der nächste Bus abfährt.“

Mittlerweile kann Patrick Stroh über die Geschichte lachen. Es ist auch schon ein bisschen Zeit seither vergangen. Vor zwölf Jahren hat der Donaustädter am Wiener Zentralfriedhof zu arbeiten begonnen. „Ich bin eigentlich gelernter Maler und habe damals einen Job gesucht.“

Gemalt hat Patrick Stroh seither nicht mehr viel. Hecken schneiden, Rasenmähen, Steine verlegen und viel graben zählten zu seinem Arbeitsalltag. Nur 2016 wurde Patrick Stroh „seinem“ Zentralfriedhof untreu. Er wechselte zum Friedhof Mauer, „aber das ist ein blöder Friedhof vom Erdmaterial her“, weswegen es zurück nach Simmering ging.

SKURRILE BERUFSWAHL

Er begann sich auch gewerkschaftlich zu engagieren. Und das so erfolgreich, dass er im Juni 2023 schließlich zum Betriebsratsvorsitzenden der Friedhöfe Wien gewählt wurde. „Ich will etwas für die Leute tun, ich kenne die Arbeit und die Probleme nur zu gut. Und wenn ich etwas verbessern kann, dann mache ich das gerne“, erzählt Patrick Stroh. Doch der 33-Jährige gibt zu: „Mir fehlt die körperliche Arbeit seither schon.“ So nützt er auch die Gelegenheiten, um den Kolleg:innen zu helfen – zum Beispiel beim Rasenmähen.

Als Betriebsratsvorsitzender ist er mit vielen Themen konfrontiert. Zum Beispiel mit dem „digitalen Stempel“, also um sich einzustempeln, sobald man die Arbeit beginnt. Manchmal entstehen auch Gerüchte, die es dann aufzuklären gilt. „Viel unterwegs sein und mit den Kolleginnen und Kollegen reden, das ist ganz wichtig“, sagt Patrick Stroh. So nützt er auch gleich unseren Reportagen-Rundgang, um die Stimmung am Zentralfriedhof einzufangen. In der Allee bei den Arkaden, übrigens der Lieblingsort von Patrick Stroh, trifft er auf Kolleg:innen. Es wird gescherzt, gelacht und über die Pläne zum nächsten internen Oktoberfest geplaudert. „Der Friedhof ist auch ein Arbeitsplatz, wo man Schmäh führt. Natürlich alles mit Respekt, aber das gehört einfach dazu“, sagt Patrick Stroh. Der 33-Jährige steht jeden Tag um 4.50 Uhr auf, denn er ist so früh wie möglich in der Arbeit: „Die meisten Kolleg:innen sind gegen 7 Uhr im Außendienst. Ich schaue dann immer, dass ich sie davor noch erwische und mit ihnen über ihre Anliegen und Wünsche rede.“

Patrick ist tagtäglich mit dem Tod konfrontiert, aber das stört ihn nicht. Patrick Stroh sehr abgeklärt: „Grob gesehen ist im Leben alles eingeteilt. Du kommst auf die Welt, gehst deiner Ausbildung nach, arbeitest und bist in der Pension. Und dann passiert halt nur mehr eines. Ma banglt o. Da gibt es keine Wahl.“

Der Wiener Zentralfriedhof feiert heuer sein 150. Jubiläum. Anlässlich dazu gibt es von Mai bis September ein buntes Programm. www.friedhoefewien.at/jubilaeumsjahr-2024

Text: Sophie Brandl